die Historie

1897 -> 1909 -> 1931 -> 1933 -> 1938 -> 1956 -> 1976 -> 2003  -> Heute

Die Geschichte der Bürger jüdischen Glaubens auf dem Gebiet der ehemaligen Stadt Wanne-Eickel geht in das Jahr 1748 zurück. Es wird im Eickeler Kirchbuch jenen Jahres die Anfrage einer Frau dokumentiert, ihr Kind protestantisch taufen zu lassen. Leider wurde der Name des Vaters nicht festgehalten, jedoch seine jüdische Religionszugehörigkeit.
Etwa aus gleicher Zeit stammt der Segensspruch an einem Torbalken in Alt-Crange, nahe dem heute über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Kirmesgelände. In hebräischer Schrift niedergeschrieben steht dort zu lesen: "Gesegnet sei bei Deinem Eingang, gesegnet sei bei Deinem Ausgang" (5. Mose 28,6). Ein Gruß an die jüdischen Händler die schon damals an dem die Kirmes begründenden Pferdemarkt teilnahmen.
Vereinzelt namentlich genannte jüdische Bürger lassen sich etwa zu Beginn des 19. Jhd. nachweisen, von der Bildung kleiner Gemeinden kann dann ab etwa 1850 gesprochen werden.

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1897

Obwohl bereits am 1.11.1891 das zum Kreis Gelsenkirchen gehörige Amt Wanne in die neuen Ämter Wanne und Eickel getrennt wurde, gab es Bestrebungen der jüdischen Bevölkerung, eine eigene Synagogen- gemeinde für beide Orte zu bilden. Die Zugehörigkeit zum naheliegenden Bochumer Synagogenverband und schließlich 1896 die Inbetriebnahme der Straßenbahnverbindung von Wanne über Eickel nach Bochum sorgte jedoch dafür, dass die Anstrengungen nicht von allen jüdischen Bürgern geteilt wurden. Ebenfalls lehnte das Regierungspräsidium in Arnsberg einen 1898 gestellten Antrag auf Gründung einer eigenen Gemeinde mit der Begründung ab, dass es aufgrund der räumlichen Nähe zu Bochum und nicht zuletzt der kaum ausreichenden "Leistungsfähigkeit" der geplanten Synagogengemeinde keinen Bedarf sehe. Darüber hinaus konnten sich viele Bürger des Amtes Eickel, nicht nur solche jüdischen Glaubens, wenig mit dem Gedanken anfreunden, mit den im Norden angesiedelten Wanner Nachbarn etwas Gemeinsames zu bewerkstelligen.
So sollte es schließlich noch bis zum 1. Oktober 1907 dauern, bis aus dem Bochumer Anhängsel eine rechtlich selbständige Gemeinde wurde.

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1909



Schüler der jüdischen Volksschule vor dem Schul-/Synagogegebäude
(Photo: Stadtarchiv Herne)

Was der jungen jüdischen Gemeinde Wanne-Eickel nun noch fehlte, waren gemeinsame Räumlichkeiten in Form einer Synagoge, die neben dem Ort für Gebete auch eine Schule und Lehrerwohnung beherbergen sollte. Nach Plänen des Gelsenkirchener Architekten Georg E. Gobrecht entstand mit bauamtlicher Genehmigung vom 23. August 1909 südlich der Köln-Mindener-Eisenbahn, an der damaligen Heinrichstraße 9 (später: Langekampstraße 48) ein im Vergleich zu anderen Synagogen eher schlichtes Gebäude.

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1931



 
Innenansicht des Betsaales um 1922
(Photo: Kurt Meyerowitz)

Während die äussere Erscheinung des Gebäudes mit seinem charakteristischen Treppengiebel an die schlichte architektonische Gestaltung westfälischer Synagogen kleiner Größe erinnerte, fehlte es zumindest dem Betsaal nicht an feierlicher Ausstattung. Im Gegensatz dazu wurde die eingegliederte Lehrerwohnung erst im Juli des Jahres 1931 mit einem eigenen, in jenen Jahren auch nicht unbedingt zum allgemeinen Wohnstandard zählenden, Badezimmer ausgestattet. 

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1933



Ansicht aus Süden 
(Photo: Stadtarchiv Herne)

Bereits nach dem 1. Weltkrieg, an dem nicht zuletzt auch viele Deutsche jüdischen Glaubens als Soldaten beteiligt waren, konnte ein Anwachsen antisemitischer Tendenzen nicht nur in Wanne-Eickel festgestellt werden.
Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 ist dann gewissermaßen der Grundstein für die systematische Entrechtung, Verfolgung und schließlich Ermordung der jüdi- schen Mitbürger gelegt worden. Der Rassenwahn avancierte zur Staatsdoktrin.

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1938



Süd-West-Ansicht
(Photo: Stadtarchiv Herne)

Vom 9. auf den 10. November 1938 wird die Wanne-Eickeler Synagoge, wie die meisten anderen auf deutschem Gebiet, zerstört. Zeitzeugen berichteten, das die in der Wohnung lebende Familie des Lehrers Fritzler erst im letzten Moment den Flammen entkommen konnte, da ihnen zuvor der Weg aus dem brennenden Gebäude von den Brandstiftern versperrt worden war.
Bereits am 10./11. November wird  direkt aus Berlin die Anordnung erteilt, die Reste des Gebäudes abzutragen. Zum Jahresende sind die Arbeiten abgeschlossen.

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1956

Da durch den Naziterror die Gemeinden zerschlagen, die Menschen verschleppt und größtenteils ermordet, somit das jüdische Leben faktisch nicht mehr existierte, war es nach Ende der Schreckens- herrschaft nicht ganz einfach, Immobilien und sonstigen Besitz an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Es wurde mit dem Jewish Trust eine Vereinigung geschaffen, die ehemals jüdisches Eigentum verwaltete bzw. auch vermarktete und mit den Erlösen zum Aufbau des Staates Israel beitrug.
Das Gelände der ehemaligen Wanne-Eickeler Synagoge wird im Jahre 1956 vom Jewish Trust - Corporation for Germany, dem nach 1945 die Besitzrechte übertragen worden waren, an die Firma Heinrich Heitkamp verkauft.

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1976



Gedenkstein Ecke Langekampstraße/Am Sportpark ca. 700 m entfernt vom Gelände der ehemaligen Synagoge
(Photo: Stadtarchiv Herne)

Bereits im im Mai 1971 trat der nunmehr in Jerusalem lebende ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Dr. Julius Leeser, in einem Brief an die damals noch selbstständige Stadt heran, um für eine Gedenktafel am Standort der zerstörten Synagoge einzutreten. Lange Diskussionen über eine geeignete Stelle folgten, da der Besitzer des ehemaligen Synagogengrundes ein solches Vorhaben strikt ablehnte.   
Schließlich wurde im September 1976 ein, mit einer metallenen Gedenktafel versehener, Stein seiner Bestimmung übergeben.

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2003



Gedenkstein nach der gewaltsamen Entfernung der Metalltafel
(Photo: August 2003 / Militzer)

Ob politisch motivierte Tat oder übler Streich alkoholisierter Jugendlicher - im Frühjahr 2003 ist die Metalltafel aus ihrer Verankerung gerissen und gestohlen worden. Die Täter blieben bislang unbekannt und somit auch ihr Motiv.
Leider blieb die Hoffnung auf eine erneute Standort-Diskussion und die Chance an historischer Stelle an Synagoge, jüdische Gemeinde und Mitbürger zu erinnern, unerfüllt. - Die Gedenktafel wurde wieder an ihrem angestammten Platz montiert. 

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Heute



Grundstück in heutigem Zustand
(Photo: August 2003 / Militzer)

Heute ist das Grundstück, auf dem die Synagoge bis zu ihrem gewalt- samen Ende das Stadtbild bereich- erte, Bestandteil des Areals der Bauunternehmung E. Heitkamp GmbH. Interessanterweise sind Teile der ehemaligen Einfriedung, die das Synagogengrundstück umgab, bis heute erhalten und Bestandteil einer Mauer, die das scheinbar ungenutzte Grundstück vor neugierigen Blicken schützt. Leider erinnert in diesem Bereich heute nichts an die ehemalige Nutzung, an den Standort der Synagoge.

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